Stimmtherapie bei Kindern

Stimmstörungen bei Kindern

Stimmstörungen bei Kindern machen sich durch länger anhaltende Heiserkeit (ohne akuten Infekt) bemerkbar. Die Stimme ist wenig belastbar und kann manchmal ganz wegbleiben. Sie kann rau und gepresst oder kraftlos und hauchig klingen und eventuell schwer verständlich sein. Es können funktionelle oder organische Ursachen zugrunde liegen.

Welche Stimmstörungen gibt es bei Kindern?

Es wird zwischen funktionellen und organischen Stimmstörungen unterschieden.

Organische Stimmstörungen kommen im frühem Kindes- bzw. Säuglingsalter z.B. aufgrund von Fehlbildungen des Kehlkopfes vor, bei Vorschul- bzw. Schulkindern auch als sekundäre organische Veränderungen („Schreiknötchen“), als Folge entzündlicher Erkrankungen (chronische Kehlkopfentzündungen) oder als Folge von Verletzungen im Kehlkopfbereich (durch Unfälle, Operationen etc).

Funktionelle Stimmstörungen zeigen noch keine organischen Veränderungen, aber Unregelmäßigkeiten im Schwingungs- bzw. Schließungsverhalten der Stimmlippen, die eine Veränderung im Stimmklang ( Heiserkeit) und in der Stimmleistung (Stimme bricht z.T. weg, ermüdet schnell) zur Folge haben. Sie können auch zu sekundären organischen Veränderungen führen.

Ursachen von funktionellen Stimmstörungen können ein zu intensiver Stimmeinsatz, ungünstige Körperhaltung, schlechte Umweltbedingungen, ungünstige Stimmvorbilder (Eltern, Bezugspersonen mit auffälligen Stimmen), familiär bedingte Stimmschwäche, Hörstörungen (beim Kind selbst oder bei Eltern / Bezugspersonen, so dass immer laut gesprochen werden muss) sein. Es wird zwischen hyper- und hypofunktionellen Stimmstörungen unterschieden, je nachdem, ob mit zu viel oder zu wenig Spannung gesprochen wird.

Die hyperfunktionelle Stimmstörung kommt am häufigsten vor. Die Stimme klingt heiser, rau, gepresst, teilweise ohne Ton, angestrengt und ermüdet bei Belastung schnell. Meist sprechen die Kinder zu schnell, z. T. undeutlich und eher laut. Die Stimme ist meist zu tief, kann aber auch erhöht sein. Es fällt eine Schnappatmung beim Sprechen auf. Die Körperspannung ist meist erhöht vorwiegend im Schulter-Nacken-Kiefer-Bereich bestehen An- bzw. Verspannungen. Die Kinder haben oft eine eher geringe Musikalität und eine verminderte Fähigkeit zum Singen. Sie nehmen meist ihre Stimme selbst nicht als auffällig wahr oder finden sie eventuell sogar cool. Manchmal besteht ein Fremdkörpergefühl oder Kratzen im Hals.

Kindliche Stimmstörungen können auch in Kombination mit kindlichem Stottern oder Sprachentwicklungsstörungen bzw. Sprachentwicklungsverzögerungen vorkommen.

Bei der hypofunktionellen Stimmstörung ist die Stimme heiser, kraftlos und stark behaucht. Beim Sprechen tritt Kurzatmigkeit auf, die Artikulation ist meist undeutlich und die Kinder sprechen oft leise und sind schlecht zu verstehen. Die Körperspannung ist eher schlaff.
Es kann zusätzlich eine Myofunktionelle Störung („Schlucktherapie“) bestehen und eventuell ein nasaler Stimmklang.

Näseln kann organisch (z.B. bei Lähmungen des Gaumensegels, bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten) oder funktionell bedingt sein kann. Es wird zwischen offenem Näseln (beim Sprechen entweicht zu viel Luft durch die Nase, da das Gaumensegel nicht vollständig abdichtet), geschlossenem Näseln („Stockschnupfensprache“: Es entweicht keine Luft durch die Nase) und gemischten Formen unterschieden.

Selten treten psychogene Stimmstörungen (Stimmklangveränderung aufgrund psychischer Beeinträchtigungen) bei Kindern auf, die meist in Kombination mit anderen psychischen Störungen (z.B. Magersucht oder Bulimie) vorkommen oder als psychogene Aphonie (völlige Stimmlosigkeit) nach einem traumatischen Erlebnis oder Schock. Hier erfolgt in erster Linie eine psychologische Betreuung und ggf. eine logopädische Mitbehandlung.

Wie kann Stimmstörungen vorgebeugt werden?

Bei organischen Stimmstörungen durch Fehlbildungen, Unfälle, Verletzungen etc. sind eventuell operative Maßnahmen und gegebenenfalls logopädische Behandlung zur Milderung oder Behebung der Störung sinnvoll.

Hinsichtlich der funktionellen oder sekundär organischen Stimmstörungen („Schreiknötchen“) kann einer möglichen Störung durch präventive Maßnahmen durchaus vorgebeugt werden.

Dazu gehören beispielsweise:

  • der Ausgleich von Fehlhaltungen (Krankengymnastik),
  • die Verbesserung von Umweltfaktoren (keine zu trockene Luft, keine Zugluft, ausreichend Flüssigkeit, rauchfreie Wohnräume, Vermeiden von allergenen Stoffen),
  • das Vermeiden von lauten Umfeldgeräuschen (z.B.: ständige Radio- oder Fernsehgeräusche im Hintergrund, die höhere Sprechlautstärke erfordern),
  • die Erarbeitung von Entlastungsstrategien (bei schwerhörigen Angehörigen, lautstarkem Sport, hohem Schreipotential),
  • viel frische Luft und Bewegung verknüpft mit Singen und Spaß,
  • Stimmruhe bei Kehlkopfentzündungen,
  • das Achten auf Hörprobleme,
  • das Bemühen, als Erwachsener ein gutes Stimmvorbild zu sein,
  • die Lösung familiäre Konflikte und
  • die Durchführung spezieller logopädischer Stimmübungen.

Welche Hilfen bietet die Logopädie an?

Zur Prävention von Stimmstörungen bei gefährdeten Kindern können in Gruppen- oder in Einzelsitzungen Kurse angeboten werden (z.B. auch in Schule oder Kindergarten).

Bei bestehenden oder vermuteten Stimmstörungen sollte das Kind einem HNO-Arzt oder Phoniater vorgestellt werden, der den Kehlkopf und das Hörvermögen untersucht und ggf. eine logopädische Verordnung ausstellt. Auf der Grundlage des ärztlichen Befundes findet eine logopädische Stimmdiagnostik und ein Anamnesegespräch mit den Eltern und dem Kind statt, in dem der Beginn und der Verlauf der Stimmstörung sowie alle damit verbunden Faktoren (allgemeine Entwicklung, Krankheiten, Sozialverhalten, Sozialkontakte, Umfeldbedingungen etc.) abgeklärt werden. Entsprechend den Ergebnissen des logopädischen Befundes wird eine Behandlung durchgeführt. In der Regel wird einzeln behandelt, unter Umständen können aber auch Gruppentherapien sinnvoll sein. Ausführliche Elternberatung und ggf. auch Elternarbeit begleiten jede Kindertherapie und können bei kleineren Kindern evtl. im Vordergrund stehen.

Das Ziel der Therapie ist, die stimmliche Kommunikationsfähigkeit des Kindes durch eine belastbare Stimme zu verbessern.
Es wird an der Wahrnehmung, der Atmung, der Körperhaltung, der Motorik, der Artikulation, der Stimmfunktion, dem Verhalten im Gespräch sowie der Stimmentlastung gearbeitet. Dies geschieht unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Möglichkeiten des Kindes und in angemessener, spielerischer Form unter Einbezug von z.B. Bewegungsspielen, Singübungen und Rollenspielen. Die Eltern werden über den Verlauf der Therapie informiert und ggf. zur Mitarbeit angeleitet.

Nach einer Therapieeinheit erfolgt ein logopädischer Abschlussbefund und eine weitere ärztliche Untersuchung um zu entscheiden, ob die Therapie beendet werden kann oder eine weitere Therapieeinheit erfolgen sollte.

Die Logopädie bietet zunächst einmal Beratung zu allen Fragen der kindlichen Sprachentwicklung und den möglichen Störungen an, denn nicht jede Auffälligkeit ist bereits ein Zeichen für eine behandlungsbedürftige Sprachentwicklungsstörung. Aufgabe der Logopäden ist es, die von Eltern beobachteten „Auffälligkeiten“ einer Entwicklungsphase zuzuordnen und festzustellen, ob das Kind tatsächlich verzögert ist und welche Maßnahmen ggf. zu treffen sind. Unter Umständen kann eine umfangreiche Beratung der Eltern hinsichtlich sprachfördernder Verhaltensweisen (Prävention) ausreichend sein. Sollte ein Hinweis auf eine Verzögerung bestehen, klärt die Logopädin ab, ob sich der Verdacht tatsächlich bestätigt. Voraussetzung für eine logopädische Diagnostik ist dabei, dass sichergestellt ist, dass das Kind keine Hörstörung hat. Deshalb sollte vorab eine entsprechende Untersuchung (Audiogramm) durchgeführt werden. Die Logopädin untersucht das Kind dann mit Hilfe gezielter Prüf- und Testverfahren, die für die unterschiedlichen Entwicklungsbereiche entwickelt worden sind.

Wesentlicher Teil der logopädischen Diagnostik ist die Anamnese. Hier werden Fragen zum Beispiel zum bisherigen Entwicklungsverlauf, zu besonderen Ereignissen im Leben des Kindes (z. B. Krankenhausaufenthalte) und zu Sozialkontakten des Kindes gestellt, um einen umfassenden Einblick in seine Lebensbedingungen zu bekommen. Dies ist auch wichtig für die logopädische Therapie, die versucht, an den Interessen und Problemen des Kindes anzusetzen. Die Inhalte der logopädischen Therapie ergeben sich unmittelbar aus dem logopädischen Befund, der mit den Eltern vor Beginn der Therapie besprochen wird. Die Eltern erhalten kontinuierlich Einblick in den Verlauf der Therapie, das heißt sie werden über Fortschritte und Veränderungen in der Therapieplanung informiert. Am Ende einer Therapiephase wird ein Abschlussbefund erstellt, aus dem hervorgeht, ob die Therapie abgeschlossen ist oder aber fortgesetzt werden sollte.

Wenn Sie sich Sorgen machen, ob Ihr Kind unter Umständen sprachentwicklungsgestört ist, lassen Sie sich beraten. Je früher eine logopädische Therapie beginnt, desto besser. Moderne diagnostische Verfahren ermöglichen Logopäden oft bereits bei zweijährigen Kindern eine zuverlässige Unterscheidung zwischen „Spätentwicklern“ und Kindern, bei denen eine behandlungsbedürftige Störung vorliegt.