Sprechtherapie bei Kindern

Verbale Entwicklungsdyspraxie- oder kindliche Sprechapraxie

Definition, Ursache, Leitsymptome und Prävalenz

Die als Syndrom bezeichnete Entwicklungsapraxie, -dyspraxie oder kindliche Sprechapraxie beschreibt die Störung der willkürlichen Planung und Programmierung der Sequenzierung von Sprechbewegungen. Andere Symptome aus Sprachentwicklungsstörungen können, müssen aber nicht hinzukommen. Dabei ist das Auftreten reiner Fälle von Sprechapraxien selten beschrieben. 

 

Ursache

Es werden genetische, metabolische und neurologische Ursachen im zentralen und peripheren Nervensystem diskutiert.  Die genaue Ursache und Wirkmechanismen für die Entstehung einer kindlichen Sprechapraxie sind noch nicht bekannt. 

 

Leitsymptome

es fällt eine inkonsistente Sprechproduktion von Vokalen und Konsonanten auf. Bei mehrfacher Wiederholung werden prosodische Auffälligkeiten, koartikulatorisch verlängerte, gestörte Übergänge zwischen Lauten und Silben beobachtet. Die Schwierigkeit besteht bei der Sequenzierung von Sprechbewegungen (Morgan u. Vogel 2009)

 

Prävalenz

Amerikanische Forscher geben an, dass die Störung bei ca. 10 von 1000 Kindern auftreten kann (Shriberg et.al. 1997a), also bei 1% der Kinder.

(Quelle: Norina Lauer, Beate Birner-Janusch „Sprechapraxie im Kindesalter“, Forum Logopädie, Thieme, 2. Auflage 2010)

Bei artikulatorischen Entwicklungsdyspraxien werden Laute fehlerhaft gebildet oder durch andere ersetzt. Die Kinder strengen sich beim Sprechen häufig an, und es sieht so aus, als ob sie die richtige Stellung von Lippen, Zunge usw. bei der Artikulation suchen.

Welche Hilfen bietet die Logopädie an?

Die Logopädie bietet zunächst Beratung zu allen Fragen der kindlichen Sprach- und Sprechentwicklung und ihrer Störungen an, denn nicht jede Auffälligkeit ist bereits ein Zeichen für eine Störung. Aufgabe eines Logopäden ist es, die von den Eltern genannten „Auffälligkeiten“ einer Entwicklungsphase zuzuordnen und einzuschätzen, ob eine Störung vorliegt und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine umfangreiche Beratung der Eltern (Prävention) kann in manchen Fällen ausreichend sein. Sollte es Hinweise auf eine Störung geben, grenzt die Logopädin diese mit Hilfe der logopädischen Diagnostik ein, erfasst mögliche Ursachen und macht Vorschläge für das weitere Vorgehen. Hierzu untersucht die Logopädin mit Hilfe von Testverfahren die unterschiedlichen Störungsbereiche (Artikulation, Atmung, Motorik und Wahrnehmung im Mundbereich). Teil der logopädischen Diagnostik ist auch das Gespräch mit den Eltern (Anamnese), in dem Fragen zur Entwicklung des Kindes und den beobachteten Symptomen gestellt werden. Die Inhalte der logopädischen Therapie ergeben sich unmittelbar aus dem logopädischen Befund, der mit den Eltern vor Beginn der Therapie besprochen wird. Die Therapie wird individuell gestaltet, spielerisch werden die Fähigkeiten des Kindes gefördert. Die Eltern erhalten kontinuierlich Einblick in den Verlauf der Therapie, indem sie über Fortschritte des Kindes und Veränderungen in der Therapieplanung informiert werden. Die Mitarbeit der Eltern ist häufig von großem Vorteil, wenn sie z.B. Übungen mit dem Kind zu Hause durchführen. Am Ende einer Therapiephase wird ein Abschlussbefund erstellt, aus dem hervorgeht, ob die Therapie abgeschlossen ist oder aber fortgesetzt werden sollte.

Welche Redeflussstörungen gibt es bei Kindern?

Störungen des Redeflusses können in Form von Stottern oder Poltern vorliegen. Redeflussstörungen bei Kindern sind sehr verschieden. Meist können die Ursachen nicht erkannt werden.

Stottern äußert sich in Form von unfreiwilligen Wiederholungen von Lauten und Silben („Babababall“) sowie als Dehnungen („Fffffisch“) oder Blockierungen von Lauten (stummes Verharren vor oder in einem Wort, wobei Zeichen von Anstrengung sichtbar oder hörbar sein können: „—Tisch“). Diese Symptome werden Kernsymptomatik genannt, da sie das eigentliche Stottern darstellen. In Kernsymptomen verlieren stotternde Kinder für einen Moment die Kontrolle über den Sprechablauf, obwohl sie genau wissen, was sie in diesem Moment sagen wollen. Kinder entwickeln unbewusst Strategien, um solche Symptome zu kontrollieren, z.B.

Ankämpfverhalten

D.h. der Versuch, mit erhöhtem Kraftaufwand (z.B. Pressen, lauter werden), „Tricks“ bei der Atmung (z.B. übertrieben aus- oder einatmen, mit zu wenig oder zuviel Luft sprechen) und Mitbewegungen (z.B. starkes Kopfnicken) aus einem Symptom heraus zu kommen.

Strategien

Strategien, um Stottern vorzubeugen, d.h. Vermeiden von Sprechsituationen bzw. gefürchteten Wörtern oder prophylaktische Veränderung der Sprechweise wie Flüstern, Singsang oder „Tricks“ bei der Atmung (s. o.). Wenn Kinder solche Vorbeugungsstrategien verwenden, ist ihnen ihr Stottern bewusst, selbst wenn sie das Wort „Stottern“ noch nicht kennen.

Psychische Reaktionen wie Sprechangst, Wut oder Trauer über das Versagen beim Sprechen, Selbstabwertung als Sprecher, Scham und Hilflosigkeit können hinzukommen. Die Lebensqualität kann durch psychische Reaktionen stark beeinträchtigt sein, selbst wenn die Kernsymptomatik nur gering ist.

Die Symptomatik kann auch schon zu Beginn des Stotterns sehr ausgeprägt sein, kann aber auch schleichend zunehmen. Typisch für den Verlauf ist der Wechsel von symptomarmen Phasen mit Episoden stärkerer Symptomatik. Ebenso typisch ist, dass das Stottern in unterschiedlichen Situationen und bei unterschiedlichen Personen verschieden ausgeprägt sein kann.

Bei Poltern ist die Verständlichkeit des Gesprochenen durch eine phasenweise überhöhte Sprechgeschwindigkeit mit Auslassungen und Verschmelzungen von Lauten, Silben oder Wörtern („zum Beispiel“ wird „Zeispiel“) beeinträchtigt. Außerdem treten viele Satzabbrüche, Umformulierungen und Floskeln sowie stotterähnliche Redeunflüssigkeiten auf, so dass trotz des Eindrucks von hoher Sprechgeschwindigkeit oft nur wenig Inhalt vermittelt werden kann.

Bei bewusst verlangsamtem Sprechen reduziert sich die Symptomatik. Das Sprechen kann jedoch nicht langfristig kontrolliert werden. In Verbindung mit Poltern treten häufig Sprachstörungen auf (Suche nach Wörtern, eingeschränkter Wortschatz, Störung der Grammatik). Polternde Menschen können oft das eigene Sprechen schlecht beobachten – die Störung ist ihnen häufig nicht oder nur ansatzweise bewusst. Manchen fällt auch das Zuhören schwer. Poltern wird gesellschaftlich nicht stigmatisiert, der damit verbundene Leidensdruck ist meist gering. Die Behinderung durch die eingeschränkte Verständlichkeit kann jedoch erheblich sein.
Stottern und Poltern können auch zusammen auftreten.

Wie kann Redeflussstörungen vorgebeugt werden?

Stottern

Es ist wichtig, stotternde Kinder möglichst früh (ab dem 2. Lebensjahr) zu erkennen und bei Bedarf zu behandeln, damit eine Rückbildung unterstützt werden kann oder, wenn dies nicht gelingt, ein leichtes selbstbewusstes Stottern erarbeitet werden kann. Ein „Interaktiver Stottertest“ ermöglicht es Ihnen herauszufinden, ob ihr Kind genauer untersucht werden sollte.

Stottern tritt bei etwa 5 % aller Kinder auf, überwiegend bis zum 6. Lebensjahr. Viele Kinder verlieren ihr Stottern von allein, wobei die Wahrscheinlichkeit geringer wird, je länger die Störung besteht. Nach der Pubertät ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich das Stottern völlig zurückbildet. Bisher ist jedoch keine Vorhersage möglich, welche Kinder ihr Stottern verlieren werden. Eine frühe Therapie kann die Chance dafür jedoch wesentlich erhöhen.

Poltern

Polternde Kinder können in einer Therapie (bei ausreichender Motivation) lernen, in für sie wichtigen Sprechsituationen das Poltern zu kontrollieren. Eine grundsätzliche Überwindung des Polterns ist nicht zu erwarten. Angehörige lernen in der Therapie, wie sie angemessen mit dem Poltern umgehen können. Bei gleichzeitiger ausgeprägter Sprachentwicklungsstörung kann das Poltern durch eine diesbezügliche Therapie erheblich verbessert werden.

Welche Hilfen bietet die Logopädie an?

Stottern

Wenn Sie sich Sorgen machen und unsicher sind, ob Ihr Kind stottert, bietet die Logopädie zunächst einmal Beratung an. Auch bei zweijährigen Kindern kann behandlungsbedürftiges Stottern vorliegen, daher scheuen Sie sich nicht, sich auch schon bei sehr jungen stotternden Kindern an Fachleute zu wenden. Bei nicht stotternden Risikokindern (z.B. stotternde Eltern) kann u.U. eine Beratung der Eltern in Hinblick auf fördernde Verhaltensweisen (Prävention) ausreichend sein. Bei Verdacht auf Stottern wird durch eine logopädische Diagnostik festgestellt, ob Stottern (Kernsymptome) vorliegt und ob Ankämpfverhalten, Vorbeugestrategien oder psychischen Reaktionen bestehen. Die logopädische Therapie kann sehr unterschiedlich aussehen, je nach der Art des Stotterns, der Situation des Kindes und der Therapierichtung. Die Inhalte der logopädischen Therapie ergeben sich aus dem logopädischen Befund, der mit den Eltern vor Beginn der Therapie besprochen wird. Während des Therapieverlaufs werden die Eltern ausführlich über Stottern und die Therapie informiert. Sie lernen vor allem bei jungen Kindern, wie sie in der Therapie mitarbeiten und das Kind im Alltag unterstützen können. Eine Therapie kann abgeschlossen werden, wenn entweder kein Stottern mehr auftritt oder lediglich ein leichtes Reststottern mit geringen psychischen Reaktionen (Sprechangst, Scham) vorliegt. Am Ende der Therapie werden die Eltern auf die Möglichkeit von Rückfällen und die dann gebotene Vorgehensweise vorbereitet, denn bei „stotterfreien“ Kindern kann Stottern wieder auftreten, bei leichtem Reststottern können sich die Symptomatik oder die psychischen Reaktionen wieder verschlimmern.

Poltern

Wenn Sie sich Sorgen machen und unsicher sind, ob Ihr Kind poltert, bietet die Logopädie zunächst einmal Beratung an. Bei Verdacht auf Poltern wird durch eine logopädische Diagnostik festgestellt, ob und welche Art von Poltern vorliegt und ob weitere Störungen bestehen. Die logopädische Therapie kann sehr unterschiedlich aussehen, je nach der Art des Polterns, der Situation des Kindes und begleitender Störungen. Die Inhalte der logopädischen Therapie ergeben sich aus dem logopädischen Befund, der mit den Eltern vor Beginn der Therapie besprochen wird. Während des Therapieverlaufs werden die Eltern ausführlich über Poltern und die Therapie informiert und lernen vor allem bei jungen Kindern, wie sie in der Therapie mitarbeiten können. Eine Therapie kann abgeschlossen werden, wenn das polternde Kind in ihm wichtigen Situationen sein Poltern kontrollieren kann oder, falls dies aufgrund des Entwicklungsstandes oder der Motivation nicht erreicht werden kann – die Umgebung unterstützende Möglichkeiten kennt, wenn Verständigungsschwierigkeiten auftreten. Wenn eine Therapie abgeschlossen wird, werden die Eltern über die Möglichkeit von Rückfällen und die dann gebotene Vorgehensweise informiert.